Konzept zur Raketenzeit an der Ulrichschule
Vorwort
Schulleben und Schulentwicklung sind einem stetigen Wandel unterworfen. Die Ulrichschule wählte hinsichtlich der im Februar 2018 stattgefundenen Qualitätsanalyse den Schwerpunkt „Wir entwickeln Schule weiter“ mit dem Unterpunkt „Wir wollen lernen und Unterricht gestalten.“ Diesen Punkt zu verbessern und weiterzuentwickeln ist der Hintergrund der Einführung der Raketenzeit an der Ulrichschule.
Mitbestimmtes Lernen findet an unserer Schule bereits im Klassenrat und Kinderparlament statt. Ein weiteres Augenmerk soll nun auf das selbstgesteuerte Lernen gerichtet werden. Dieses findet seinen Schwerpunkt in der Raketenzeit, die seit dem Schuljahr 2019/2020 mit 2 Unterrichtsstunden pro Woche sowie eine Reflexionsstunde fest im Stundenplan verankert ist.
Was ist Raketenzeit?
Organisatorischer Rahmen und Rituale, Regeln zur Zielformulierung und Dokumentation
Die Raketenzeit findet in allen Klassen regelmäßig statt. Zwei Stunden sind im Stundenplan fest verankert. Die Kinder setzen sich zu Beginn ein individuelles Lernziel (lehrplanorientiert) und organisieren ihren Arbeitsablauf (Sozialform, Material etc.). Zur Dokumentation dient das Raketenheft. Die Präsentation der Ergebnisse findet in einer weiteren Stunde individuell in den Klassen statt. Alle vier Wochen treffen sich die Kinder eines Jahrgangs in der Aula und präsentieren ihre Ergebnisse. Dieses Treffen dient der Motivation und der Ideenfindung für die Mitschülerinnen und Mitschüler.
Momentan arbeiten die Kinder während der Raketenzeit in ihren Klassenräumen, in den Nebenräumen und auf den Fluren. Dabei nutzen sie alle zur Verfügung stehenden Medien. Kinder mit besonderem Förderbedarf können nach Absprache die Lerninsel nutzen.
Die Raketenzeit ist fächerübergreifend und schülerorientiert.
In der Raketenzeit gelten die vereinbarten Klassen- und Schulregeln (Go und No-Go-Liste). Die Raketenzeit soll von den Kindern im Raketenheft dokumentiert werden. Ein einmal gewähltes Lernziel soll bis zur Ergebnispräsentation beibehalten werden. Wenn das Ziel nicht erreicht wurde, muss reflektiert werden, woran es lag und eine neue Zielformulierung daraus erstellt werden. Die Ziele sollten hierbei im Idealfall smart formuliert werden. D.h. z.B. „Mathe üben“ ist zu allgemein, „Ich möchte das 1x1 üben damit ich alle Aufgaben, die mir die Kinder bei der Präsentation stellen, zügig und richtig lösen kann.“, wäre sinnvoll. Eine solche Zielformulierung ist ein Lernprozess, zu dem die Kinder Schritt für Schritt hingeführt werden. Die Lehrkräfte begleiten und beraten in der Raketenzeit.
Hinführung zur Raketenzeit in Klasse 1 (Methodentraining)
Bis zu den Herbstferien eines jeden Schuljahres werden die sozialen Ziele erarbeitet. Es gibt ein Klassenziel für die ganze Klasse pro Woche, welches sich aus der Go-Liste ergibt. Das Ziel wird mit einem Symbol aus der Go-Liste ins Raketenheft geklebt. Dadurch entsteht gleichzeitig eine Transparenz für die Eltern. Die Reflexion des Klassenziels erfolgt am Freitag im Klassenrat.
Weitere Ideen für die Raketenstunde im ersten Halbjahr sind:
- Durchstarterpaket (Zaubereinmaleins/Anfangsunterricht)
- Spiele zu den sozialen Zielen
- Freiarbeitsmaterial
Im zweiten Halbjahr wird den Schülerinnen und Schülern zusätzlich eine Ideensammlung mit Symbolen (Lupe, Schere, Zahlen, Buch, Stift, Pinsel...) angeboten, aus denen sie auswählen können, wenn sie keine eigenen Ideen haben.
Vereinbarkeit mit Stundentafel und Lehrplan
Da die Raketenzeit in zwei regulären Unterrichtsstunden der Stundentafel stattfindet ergab sich die Fragestellung, ob dann für die im Lehrplan vorgesehenen Lernziele genügend Raum und Zeit bleibt. Hier zeigt die Realität, dass Kinder sich überwiegend lernplanbasierte Arbeiten aussuchen. Wichtig ist die Hinführung der Kinder zu diesem zielgerichteten Arbeiten.
Aufgabenbeispiele:
Tanz
Eine Gruppe von Kindern erfinden einen Tanz, studieren diesen ein und führen ihn auf.
Kompetenzerwartungen aus dem Lehrplan:
Sport: Bereich "Gestalten, Tanzen, Darstellen"
Kunst: Bereich "szenisches Gestalten"
Musik: Bereich "Musik umsetzen"
Deutsch: Bereich "Sprechen und zuhören"
Möglichkeiten der Öffnung des Unterrichtes – Hospitationen und mehr
Das selbstgesteuerte Lernen in der Raketenzeit beinhaltet gleichzeitig eine Öffnung des Unterrichtes und der Lernräume. Um diese Öffnung fließend zu gestalten hat sich die Ulrichschule in diesem Schuljahr für eine schrittweise Öffnung zunächst über eine ausgewählte Partnerklasse entschieden, später auch innerhalb der Jahrgangsstufe bzw. stufenübergreifend zwischen den Klassen 1 und 2 sowie 3 und 4.
Zur jetzigen Phase mit der (räumlich nahegelegen) Partnerklasse erhielten die Kinder die Information, dass sie von nun an ihre Ideen und Projekte auch mit der Partnerklasse umsetzen dürfen. Gewünscht ist, dass sobald die Kinder wissen, dass ihr Projekt bald präsentiert wird, sie sich schon auf dem Schulhof mit Kindern der Partnerklasse austauschen können, um sich als neue Interessensgruppe zusammen zu finden. Die Arbeitsgruppen werden durch die beiden Lehrkräfte entsprechend räumlich verteilt. Die Lehrer haben die Möglichkeit während der Raketenzeit zu rotieren, um auch Kinder der eigenen Klasse, die im anderen Klassenraum arbeiten, zu besuchen.
Bei der Präsentation ist dann Voraussetzung, dass die Präsentationszeiten der beiden Klassen parallel liegen, sodass jeweils in der Klasse präsentiert wird, in der auch gearbeitet wurde. Somit wäre auch das Publikum gemischt und würde den Vortragenden Rückmeldung geben. Diese Präsentationsform ist noch in Erarbeitung, da die Klassengrößen oftmals nicht den Präsentationsvorhaben entsprechen. Geplant ist, dass sich die Jahrgänge alle 4 Wochen in der Aula treffen und dort die Ergebnisse präsentieren.
Mut zum selbstbestimmten Lernen
Hilfe zur Selbsthilfe – Umgang mit „speziellen Fällen“
Der mit der Raketenzeit begonnene Weg des selbstbestimmten und selbstgesteuerten Lernens erfordert wie o.a. Mut für alle, die alten, vertrauten Lernwege zu verlassen und neuen Wegen zu folgen. Hierdurch wird das Lernen auch für Eltern transparenter. Durch die Dokumentation der Kinder und die Hinweise der Lehrpersonen können auch die Eltern nachvollziehen, in welchen Bereichen ihr Kind Schwerpunkte setzt und/oder sich weiter entwickelt. Bei jedem neuen Weg gibt es Ängste und Einwände. Wir als Lehrer haben uns diesen bereits gestellt und hoffen, mit den u.a. Beispielen zu zeigen, dass diese „Steine“ sinnvoll aus dem Weg geräumt werden können. Selbstverständlich sind wir noch am Beginn des Weges, man kann jedoch schon erkennen, in welche Richtung er führt.
vereinbarte Maßnahmen im Umgang mit „speziellen Fällen“:
Fall A:
- Kind macht immer das Gleiche oder bearbeitet nur die Aufgaben aus einem Bereich
Konsequenz:
- jeder Lehrer und jedes Kind erhält einen kindgerechten Lehrplan, in den eingetragen werden kann, welche Aufgabe aus welchem Bereich das Kind bearbeitet hat. Dementsprechend finden Gespräche zwischen Kind und Lehrer zur weiteren Entwicklung statt.
Fall B:
- Kind hat keine Idee
Konsequenz:
- gemeinsame Ideensammlung zur Raketenzeit in jeder Klasse
Fall C:
- Kind fängt jede Stunde etwas Neues an
Konsequenz:
- Lehrer- Schüler- Gespräch-> Lehrer erinnert an das Ziel im Raketenheft
Fall D:
- Kind beendet die Aufgaben nicht (mangelndes Zeitmanagement)
Konsequenz:
- Hilfestellung durch den Lehrer bei der Auswahl des Themas und des Materials
- Einsatz von Verstärkerplänen
Fall E:
- Kind fehlt das Material
Konsequenz:
- Lehrer besorgt passendes Material, wenn Kind zuvor darum bittet
- bringt das Kind sein Material nicht mit, teilt der Lehrer eine Aufgabe zu
Fall F:
- Kind bereitet mit den Eltern zu Hause alles vor
Konsequenz:
- Kind daran erinnern, dass nur in der Schule erbrachte Leistungen zählen
-> ansonsten können die Leistungen nicht gewertet werden
- Aufgabe muss erneut bearbeitet werden
Fall G:
- Kind arbeitet immer alleine oder mit dem gleichen Partner oder der gleichen Gruppe
Konsequenz:
- Lehrer- Schüler- Gespräch
- Vorgabe durch den Lehrer
Fall H:
Durchführung der Raketenzeit für Kinder mit emotionalem und sozialen Förderschwerpunkt müssen individuell zwischen Sonderpädagogen und Klassenlehrern besprochen werden.
Evaluation und Ausblick:
Das Konzept „Raketenzeit“ der Ulrichschule ist auf Weiterentwicklung angelegt. Wir erweitern Schritt für Schritt jedes Schuljahr mit einem weiteren Baustein die Raketenzeit und evaluieren diese auch mit der erweiterten Steuergruppe , an der ab diesem Schuljahr auch Eltern aus der Schulpflegschaft teilnehmen.